„Wie sensibel er ist“
Wie Lehrkräfte mit Kindern kommunizieren, kann sie für ihr ganzes Leben prägen. Eine Expertin erklärt, welche Methode Kindern am meisten hilft.
Berlin – Wenn eine Lehrkraft den Eltern eine E-Mail schreibt, geht es oft um Organisatorisches – oder um ein Fehlverhalten des Kindes. Umso überraschter war eine Familie, als sie von der Lehrkraft ihres Sohnes eine Nachricht erhielt. Ein Video von dessen Reaktion teilt die Familie auf Social Media. Darin liest der Vater seinem Sohn im Grundschulalter die E-Mail seines Lehrers vor: „Ich wollte Ihnen sagen, wie gern ich Wyatt in meiner Klasse habe. Er ist ein ruhiger Anführer und andere Schülerinnen und Schüler orientieren sich an ihm als Vorbild. Er ist freundlich, arbeitet hart und hält sich an die Klassenregeln. Danke, dass Sie mir Ihren tollen Jungen anvertrauen.“
Das Kind freut sich sichtlich über die Worte seiner Lehrkraft und auch seine Eltern betonen: „Wir sind so stolz auf dich.“ Auf Instagram sind viele Nutzer von dem Beitrag gerührt. „Das ist so wunderschön“, schreibt eine Person in den Kommentaren und jemand anderes meint: „Das wird einen großartigen Einfluss auf ihn haben. Man sieht auch, wie sensibel er ist und er vor Freude den Tränen nah ist“. Ein anderer Nutzer, offenbar Lehrer, schreibt in den Kommentaren, dass er mit ähnlichem Feedback bereits Eltern zum Weinen gebracht habe – „sie lieben es zu hören, wer ihr Kind wirklich ist“.
Eltern-Coachin: Anerkennung für die Persönlichkeit des Kindes ist wichtig
Eine Elternberaterin analysiert das Video auf Instagram. „In diesem Moment passiert etwas. Sein Gehirn wird neu verdrahtet und seine Persönlichkeit wird für sein ganzes Leben geprägt“, erklärt die US-Amerikanerin Amelia Reed. Die E-Mail der Lehrkraft sei das perfekte Beispiel für die sogenannte „Character Recognition Method“ (dt. Charakter-Anerkennungs-Methode). Anerkennung für die Persönlichkeit eines Menschen sei das Gegenteil dessen, was „in unserer Welt, in der wir von Leistung besessen sind“, passiere: „Meist geht es bei Anerkennung darum, was die Kinder machen, ihre Noten oder Auszeichnungen. Doch hier hat der Lehrer gelobt, wer das Kind ist“, sagt die Elterncoachin.
Bei der Character Recognition Method werde die Persönlichkeit gelobt, statt allein der Performance. Im Fall des Jungen also seine Freundlichkeit und seine Führungsstärke. „Der Wert hängt nicht daran, was sie leisten, sondern sie sind wertvoll, wie sie sind.“ Besonders schön für das Kind sei, dass auch die Familie diesen Moment mit ihm feiere – und sie das Feedback genauso ernst nehmen wie eine Note in der Klassenarbeit. „Das zeigt Kindern: Ein guter Mensch zu sein ist mindestens genauso wichtig, wie erfolgreich zu sein“, sagt die Elternexpertin.
Lehrerin: Persönliches Feedback für Kinder ist förderlich
Auch auf Zeugnissen sollte auf den Charakter der Kinder und Jugendlichen eingegangen werden, finden viele Eltern und Lehrkräfte in Deutschland. Geschriebene Texte gibt es für die meisten allerdings nur in der Grundschule. „Wenn ich Kinder beschreibe und in passenden Worten überlegt Feedback gebe, ist das lernförderlich, motivierend und professionell“, sagt die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media.
Idealerweise sollten Kinder ein individualisiertes, stärken- und schwächenorientiertes Zeugnis erhalten. Ein Häkchen oder Kreuz in einer Kategorie sei oft unpersönlich. Allerdings müssten die Lehrerinnen und Lehrer in die Beschreibungen viel Zeit investieren. Fleischmann erklärt, dass Schülerinnen und Schüler oft sehr stolz auf die Beschreibungen in ihrem Zeugnis seien. „Kinder, vor allem die Kleinen, sollen ganzheitlich beschrieben werden und ein wertschätzendes Feedback erhalten, an dem sie wachsen und nicht zerbrechen.“ (Quelle: Instagram, eigene Recherche)