Bidirektionales Laden
Eine relativ unscheinbare Gesetzesänderung revolutioniert die Elektromobilität: E-Auto-Besitzer könnten theoretisch bald kostenlos unterwegs sein.
Berlin – Mit einer wegweisenden Entscheidung macht der Bundestag bidirektionales Laden künftig wirtschaftlich interessanter. Mit der Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) wurde eine zentrale Hürde für die Technologie beseitigt – eine Technologie, die Elektroauto- zu rollenden Stromspeichern macht und ihren Besitzern erhebliche Einnahmen ermöglichen könnte.
Das Kernproblem lag bisher in der sogenannten Doppelbelastung: Wer Strom aus seinem E-Auto zurück ins Netz speisen wollte, musste sowohl beim Laden als auch beim Entladen Netzentgelte zahlen. Diese wirtschaftlich unattraktive Regelung ist nun Geschichte. E-Autos werden rechtlich mit stationären Batteriespeichern gleichgestellt, wodurch die doppelte Abgabenlast entfällt.
So verdienen E-Autos mit bidirektionalem Laden Geld
Beim bidirektionalen Laden, auch Vehicle-to-Grid (V2G) genannt, können E-Auto-Batterien nicht nur Strom aus dem Netz laden, sondern diesen auch wieder zurückspeisen. Die Fahrzeuge laden automatisch, wenn Strom günstig ist – etwa nachts oder bei starker Solareinspeisung am Mittag. Steigen die Strompreise am Abend, geben sie die Energie gewinnbringend ans Netz zurück.
Aufs Jahr gerechnet: Kostenloses Fahren soll möglich sein
Berechnungen von Eon und BMW zeigen, dass E-Auto-Besitzer bei einer durchschnittlichen Standzeit von acht Stunden täglich am Netz eine jährliche Prämie von bis zu 720 Euro erhalten könnten. Mit diesem Betrag ließen sich etwa 14.000 Kilometer komplett kostenlos fahren – mehr als der deutsche Durchschnitt von rund 12.320 Kilometern laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) pro Jahr. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 17 kWh auf 100 km entspräche dies einem Strompreis von etwa 30 Cent pro kWh. Laut einer Studie der Unternehmensberatung EY sind im Vergleich zu einem Verbrenner in Deutschland pro Jahr mit der Technik bis zu 2.900 Euro Ersparnis möglich. Eine Analyse von Agora Verkehrswende ist etwas vorsichtiger: Hier schätzt man die jährlichen Erlöse durch bidirektionales Laden auf rund 500 Euro.
Noch Hürden zu überwinden
Trotz des Durchbruchs bleiben Herausforderungen bestehen. Die Abschaffung der stromsteuerlichen Doppelbelastung ist zunächst nur für Nutzer mit eigener Photovoltaikanlage vorgesehen – eine Einschränkung, die der Verband der Automobilindustrie (VDA) kritisiert. Zudem fehlen vielerorts noch Smart Meter, die für dynamische Tarife und die Abrechnung unverzichtbar sind. Deren Ausbau wurde in Deutschland jahrelang verschleppt. Außerdem gibt es laut ADAC aktuell nicht allzu viele Fahrzeuge (etwa 20), die bidirektionales Laden beherrschen – allerdings wächst ihre Zahl stetig. Auch die Wallbox muss die Technik beherrschen können. Laut Roadmap des Beirats der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur soll das bidirektionale Laden ab dem Jahr 2028 so richtig Fahrt aufnehmen. (Quellen: ADAC, KBA, VDA, Agora Verkehrswende, eigene Recherche) (sop)