Erziehungs-Paradox
Manche Leute haben lieber Hunde als Kinder. Ist ein Vergleich da überhaupt angebracht? Ein Psychologe und ein Hundetrainer beantworten diese Frage.
Frankfurt – „Ein Hund ist mir viel zu viel Arbeit, das kann ich mir nicht vorstellen.“ Wer diesen Satz regelmäßig denkt oder sagt, ist wohl kein Hunde-Fan. Doch was sagt das über ihn oder sie als Elternteil aus? Schließlich erfordern Hunde eine gewisse Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, wollen „spontane Interaktion und viel Nähe“, und wirken sich, wie Kinder, auf die Reiseplanung aus. BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media hat mit einem Menschen- und einem Hunde-Psychologen über die Parallelen und Unterschiede zwischen der Hunde- und Kinder-Erziehung gesprochen.
Erziehung: Sind Hunde mehr oder weniger abhängig von uns als Kinder?
Wenn jemand sage, er könne sich keinen Hund vorstellen, aber ein Kind schon, dann sei das nur auf den ersten Blick ein Widerspruch, sagt Rainer Wolhfarth. Der Psychologe bietet tiergestützte Therapie an und arbeitet seit Jahren mit Hunden. „Ein Hund bleibt immer ein Kind zwischen drei und vier Jahren – aber ein Kind wird mit der Zeit immer eigenständiger. Das ist der große Unterschied. Hunde sind abhängig von uns und bleiben das ihr Leben lang“, sagt er BuzzFeed News Deutschland.
Sie könnten nicht sprechen, und benötigten für immer einen Menschen, der für sie entscheide: Wann sie essen, wann sie hinausgingen, was sie tun dürften. „Kinder hingegen entwickeln Autonomie und können ihre Bedürfnisse irgendwann selbst äußern“, sagt er.
Doch zu Beginn seien sie viel „hilfsbedürftiger“, sagt der Hundetrainer und Hundepsychologe Thomas Riepe. „Wenn ich mich nicht um ein Baby kümmere, stirbt es.“ Bis in die Pubertät hinein sei es in seiner Entwicklung noch nicht fertig. Ein Hund hingegen sei bereits nach einem Jahr ein erwachsenes Lebewesen, das Strategien entwickle, um alleine zu überleben. Zwar hätten sich Hunde an die Fürsorge, Nahrung und den Schutz von Menschen gewöhnt, aber sie bräuchten diese nicht zwingend, das sehe man an Straßenhunden. Riepe sieht den Vergleich zwischen Hunden und Kindern allgemein kritisch. „Ein Hund ist nicht wie ein Kind“, sagt er.
Hundetrainer über süßes Verhalten – „dahinter steckt etwas ganz anderes“
Das Bild, das viele Menschen von Hunden hätten, sei falsch, sagt der Hundetrainer. Hundeverhalten werde „oft falsch verstanden“, auch, weil sie so süß aussehen würden. „Viele sehen in Hunden Verhalten, das an Kinder erinnert, aber dahinter steckt etwas ganz anderes. Wenn ein Hund zum Beispiel den Kopf schräg hält, dann weil er weiß, dass wir ihm ein Leckerchen geben. Das ist keine Niedlichkeit, sondern eine Überlebensstrategie.“
Hunde seien „kognitiv sehr viel weiter, als wir oft denken“, sagt Riepe BuzzFeed News Deutschland. Sie lernen über Beobachtung, könnten uns „sogar manipulieren, um das zu bekommen, was sie wollen“. Hunde seien eher „Sozialpartner“ als Kinder, hätten uns früher bei der Jagd geholfen oder unsere Häuser bewacht, weil sie Fähigkeiten hätten, die wir Menschen nicht haben – etwa ihren Geruchssinn oder ihre Überlebensstrategien. Diese Rolle wechselte zu einer Art „emotionaler Begleiter“.
Das habe zwar durchaus positive Seiten, aber manchmal fehle Riepe heute bei den Menschen die Intuition im Umgang mit Hunden, sagt er. Hundebesitzer und -besitzerinnen würden heute von Ratgebern erschlagen, die ihnen ständig sagten, was sie alles falsch machen. Zu einem gewissen Grad sei Reflexion gut, aber zu viel Information verunsichere die Menschen. „Das ist die einzige Parallele zwischen Hunden und Kindern: Wir spüren bei beiden ganz tief in uns, wie wir mit ihnen umgehen sollten. Doch genau das fehlt vielen Eltern – Mut, sich auf diese Intuition zu verlassen.“ (Quellen: eigene Recherche)